Jahresbericht Zuchtwart Hühner - Zwerghühner 2022
Fachvorträge: Erfreulicherweise konnten im zurückliegenden Berichtsjahr unsere Monatsversammlungen planmäßig stattfinden und dienten wiederum als Plattform des Wissenstransfers. Für die hochwertigen Vorträge, wo neben den Standardmerkmalen gerade auch Besonderheiten der Rassen in Verhalten, Leistung, Haltung und Schauvorbereitung thematisiert wurden, gilt den Referenten Jeffrey Krüger, Daniel Hermann und Matthias Schutza herzlicher Dank.
Geflügelpest: Seit mehreren Jahren ist die Situation der Geflügelpest (hochpathogene Aviäre Influenza = HPAI, Vogelgrippe) in Nordwesteuropa stark angespannt. Im Sommer 2022 kam das Seuchengeschehen v.a. bei Wildvögeln und teils auch bei Geflügel nicht zum Erliegen und ab Oktober war wiederum ein Anstieg an Ausbrüchen in Geflügelhaltungen zu verzeichnen. Es wird davon ausgegangen, dass der aktuell dominierende Geflügelpestvirus
H5N1 nicht mit dem Herbstvogelzug 2022 nach Europa eingetragen wurde, sondern aus seit 2020/21 in Europa ansässigen Geflügelpest-Viren resultiert (FLI, 2023). Das Virus zirkuliert nunmehr ganzjährig in Wildvogelpopulationen
in Europa, was früher so nicht beobachtet wurde.
Im Zusammenhang mit mehreren Rassegeflügelschauen im November 2022 kam es nachweislich zur Verbreitung der Aviären Influenza. Eine Vielzahl infizierter Bestände hatte massive Tierverluste bzw. wurde gekeult, was einen erheblichen Verlust an tiergenetischen Ressourcen der wertvollen Bestände bedeutete. Die regionale Verteilung der Ausbrüche und deren rekonstruiertes Netzwerk werden in der beigefügten Abbildung des FLI (2022) dargestellt.
Beim Betrachten des Netzwerkes wird die die Gefahr offensichtlich, wenn aus einem Bestand mit infiziertem Geflügel in der Folgewoche einer Schau in der Inkubationszeit (noch) klinisch gesundes Geflügel ausgestellt würde – es käme zum Flächenbrand. Dies muss unbedingt verhindert werden. In diesem Zusammenhang kam es auch zur Absage der Geflügelschau innerhalb der Lipsia 2022. Bis Jahresende ist das Seuchengeschehen im Zusammenhang mit Geflügelschauen erloschen. Dass von 19 AI-Ausbrüchen im Zeitraum 1.1.- 6.2.2023 insgesamt 15 in nicht gewerblichen Kleinhaltungen zu registrieren waren, zeigt wie präsent der Erreger ist und welche Gefahr davon auch für Rassegeflügelzuchten ausgeht.
Bei einer Keulung als Worst-Case kommt es zur Erosion wertvoller Zuchttiere, zu emotionalem aber auch finanziellen Schaden. Aufgrund letzterem der Hinweis zu den gesetzlichen Pflichten eines Geflügelhalters. Kommt ein Tierhalter seinen Pflichten nicht ordnungsgemäß nach, können Sanktionen erfolgen. Im Seuchenfall kann es dann ggf. zu Kürzungen bei der Schadensregulierung (Erstattung gekeulter Tiere) kommen. Folgende Punkte
sind wesentliche, gesetzliche Pflichten jedes Geflügelhalters:
- Meldung des Tierbestands an Veterinäramt
- Tierbestandsmeldung an Tierseuchenkasse (1x jährlich zum Stichtag; ggf. Nachmeldung – bei TSK Sachsen z.B. bei über 150 im Bestand verbleibende, selbst reproduzierte Jungtiere; bei Fremdzugängen um 10 % des Bestandes)
- Führung eines Bestandsregisters in dem alle Zu- und Abgänge des Bestandes dokumentiert werden (Muster für Bestandsregister online unter lipsia-rassegeluegel.de und vzv.de)
- Meldung an Veterinäramt bei täglichen Tierverlusten ≥3 Tiere bzw. ≥2 % des Bestandes
- Realisierung der notwendigen Biosicherheitsmaßnahmen z.B. aus Allgemeinverfügung
Perspektivisch ist eine Impfung gegen die Aviäre Influenza ein wichtiges Ziel, was auch seitens der Verbände für Rasse- und Wirtschaftsgeflügel gefordert wird. Derzeit existieren in der EU keine zugelassenen Impfstoffe, die gegen die aktuell zirkulierenden Virusvarianten eine gute Wirksamkeit besitzen. Für die AI-Impfung bestehen noch deutliche Hürden (z.B. DIVA-Strategie – Markerimpfstoff; Wirksamkeit bzgl. Tierverluste, klinische Symptome, reduzierte Virusausscheidung; Vielzahl und Varianz der AI-Subtypen; Gefahr der Feldinfektionen unter Impfdecke; keine Lebendimpfstoffe zur
Verabreichung über Tränke), welche in einem Fachbeitrag von Dr. Christine Ahlers im Lipsia-Journal 47 zusammengefasst werden. In diesem Beitrag werden auch diesbezüglich wichtige, aktuelle Änderungen des europäischen Rechts skizziert. Die im März 2023 in Kraft getretene EG-Verordnung 361/2023 ermöglicht zwar die präventive AI-Impfung, stellt hierzu jedoch hohe Hürden zur Überwachung des Impferfolgs und Verhinderung der Ausbreitung von Feldviren unter der Impfdecke (u.a. monatliche Beprobung durch amtlichen Tierarzt, starke Verbringungseinschränkungen für geimpfte Tiere). Diese rechtliche Änderung ist als wichtiger Schritt in eine Impfstrategie zu verstehen, aber realisierbar erscheinen flächendeckende AI-Impfungen – v.a.
in Kleinbeständen – damit noch nicht. Es ist davon auszugehen, dass es mit einer Impfstrategie einen schrittweisen Übergang zur Impfung geben wird, der mehrere Jahre dauert. Dabei ist die Impfung nur Teil einer Bekämpfungsstrategie und wird die Problematik allein nicht lösen. D.h. auf Ebene der Bestände, dass hier die Biosicherheit zur hygienischen Abschirmung (z.B. Mensch als Vektor – Schuhe/Kleidung für Ställe nicht im Alltag, bei anderen Zuchten und Schauen verwenden; möglichst kein Zugang zu Oberflächenwasser – dieses nicht vertränken; Fütterung nur im Stall; in Phasen mit hohem AI-Risiko – kein Zukauf, ggf. Schnelltests einsetzen) weiter einzuhalten und ggf. zu verbessern ist. Eine sehr gute Zusammenstellung zu den Biosicherheitsmaßnahmen in Rassegeflügelbeständen gibt der Beitrag von Roland Küblböck in der Geflügelzeitung 1/2023.
Nach aktueller Rechtslage und Diskussion in Fachkreisen wird auch künftig in gegen AI geimpften Beständen eine Keulung erfolgen, wenn im Bestand HPAI nachgewiesen wurde. Es besteht aber die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung von der Keulung (§20 GeflPestSchV bzw. EG VO 687/2020). Jeder Züchter muss selbst abwägen, ob er diese in Erwägung zieht und kann ggf. vor (!) akuter Bestandssituation einen Ausnahmeantrag (inkl. Konzept mit Maßnahmen zur Verhinderung des Verbreitens der AI) beim zuständigen Veterinäramt stellen. Vor dem Hintergrund der dargestellten Situation sind im Hinblick auf die Durchführung von Geflügelschauen kurz-/mittelfristig zusätzliche veterinärbehördliche Auflagen zu erwarten. Entsprechend des variierenden Risikopotentials können diese zwischen regionalen und überregionalen Schauen unterschiedlich sein. Welche zusätzlichen Schutzmaßnahmen dies konkret sein werden, ist aktuell nicht fixiert. Möglich erscheinen z.B. keine Bestandsbewegung (Zukauf/Schau) vor Schaubeteiligung für definierten Zeitraum, Bescheinigung der AI-Freiheit des Bestandes durch Test (Tupfer – PCR- oder Antigen-Test), Quarantäne der Schautiere bei Rückführung in Bestand, hohe Ansprüche an Dokumentation zur Rückverfolgung nach Schau. Bezüglich der Schautermine erscheint eine Reduktion des Risikos seuchenbedingter Schauabsagen durch zeitliche Verschiebungen möglich, jedoch ist hier die Realisierbarkeit bei Großschauen kurzfristig kaum realisierbar.
Informationen der Sparte Geflügel des Bundeszucht- und Anerkennungsausschusses: Als Ausnahmeregelung wird die Präsentation von Neuzüchtungen des Geflügels in 2023 auf die zwei LV-Schauen in Magdeburg (4./5.11.) Alsfeld (11./12.11.) erweitert.
Unberührt bleibt die Neuzüchtungsklasse auf den Bundesschauen in Leipzig, Hannover und Erfurt. Gleichwohl der Schwerpunkt der Förderung auf die anerkannten Rassen des BDRG liegt, ist angesichts der in den letzten drei Jahren komplett ausgefallenen Möglichkeit zur Präsentationen im Anerkennungsverfahren und der weiterhin bestehenden Unsicherheiten bei der Durchführung von Bundesschauen, diese Ausnahme notwendig, um auch den Züchtern der Neuzüchtungen eine Perspektive zu bieten.
Folgende neue Beschlüsse und Richtlinien zur Bewertung von Hühnern und Zwerghühnern sind ab 2023 verbindlich gültig:
- Kammgröße bei Hühnern und Zwerghühnern: Hühner und Zwerghühner mit über die Schnabelspitze hinaus reichendem Kamm erhalten die Bewertung oB.
- Hühner und Zwerghühner mit durchgedrücktem Fersengelenk (steifer Stand) erhalten die Bewertung oB
- Standhöhe und Schenkellänge bei Hühnern und Zwerghühnern:
Bei Rassen mit mittelhoch gefordertem Stand sind sehr lange Schenkel und ein hoher Stand ungewollt. Betreffende Tiere sind von den Bewertungsnoten v und hv ausgeschlossen.
- Spaltbrust ist bei den meisten Hühner- und Zwerghühnerrassen unerwünscht (Ausnahme: Kämpferrassen) und wird in Abhängigkeit der Schwere der Ausprägung als Wunsch oder Fehler bewertet.
- Zehen und Krallen bei Hühnern und Zwerghühnern mit starker Fußbefiederung: Außenzehen, die insgesamt gerade erscheinen aber ein leicht seitlich abknickendes äußerstes Zehenglied aufweisen, werden als Wunsch betrachtet (z.B. Außenzehe stabiler). Betreffende Tiere dürfen nicht mit den Noten v oder hv bewertet werden.
Ruben Schreiter
Foto: Holger Hellschmidt
Foto: Karin Wolters
Foto: Holger Hellschmidt
Foto: Holger Hellschmidt